Von der Welt nicht anerkannt – de facto aber ein Staat
Somaliland hat alles, was einen unabhängigen Staat ausmacht. Trotzdem wird es nur von Taiwan als solcher anerkannt. Die Einreise hat Tücken, zu sehen gibt es aber einiges. Und zum Entspannen locken Strände und Korallenriffe in klarem Wasser.
Stand: 04:27 Uhr | Lesedauer: 4 Minuten
Von Anne Waak, Sönke Krüger
Hargeisa gilt als Hauptstadt von Somaliland. Nur über den Flughafen hier kann man einreisen
Quelle: pa/Yannick Tylle
Somaliland – von Somalia abgespalten
Es hat eine eigene Hauptstadt, eine eigene Regierung, eine eigene Währung, eine eigene Flagge, stellt Pässe aus und kontrolliert seine Grenzen – somit ist alles vorhanden, was einen unabhängigen Staat ausmacht. Trotzdem wird Somaliland, das sich 1991 einseitig von Somalia abgespalten hat, von der Welt (außer von Taiwan) nicht als Land anerkannt.
De facto ist es aber ein eigener Staat – und damit die einzige Gegend im zerfallenen, von Clans beherrschten Somalia, in der es eine funktionierende Ordnung gibt. Islamistische Anschläge gab es zuletzt 2008, Somaliland ist also deutlich sicherer als Somalia. Allerdings gibt es dort weder Meinungsfreiheit noch die Gleichberechtigung von Frauen. Der Islam ist Staatsreligion.
Vor Corona hatten verschiedene Reiseveranstalter Somaliland im Programm, darunter der deutsche Abenteuerspezialist Diamir Erlebnisreisen, der weitere Touren in den kommenden Jahren plant.
Am Strand in der Nähe der Hafenstadt Berbera herrscht kein Gedränge
Quelle: Getty Images/imageBROKER RF/imageBROKER/Michael Runkel
Zu sehen gibt es einiges, zum Beispiel Pyramidenbauten und Mausoleen aus der Zeit, als am Horn von Afrika mit kostbaren Waren wie Myrrhe, Gold, Elfenbein und Weihrauch gehandelt wurde. Oder auch die Küstenstadt Berbera mit unendlichen weißen Sandstränden und Korallenriffen in glasklarem Wasser.
Zaila (auch Saylac genannt) nahe der Grenze zu Dschibuti gilt als der Ort, an dem der Islam in Afrika Fuß fasste. Arabisch ist denn auch, neben Englisch und Somali, eine der drei offiziellen Sprachen Somalilands.
Quelle: Infografik Die Welt
Höhlenmalereien sind die besterhaltenen in Afrika
Rund 5000 Jahre zählen die Höhlenmalereien von Laas Geel – die ältesten am Horn von Afrika. Die großflächigen, gut erhaltenen Zeichnungen in zehn Felsnischen befinden sich zwei Stunden außerhalb der Hauptstadt Hargeisa. Sie zeigen Szenen aus dem Leben von Nomaden, reich verzierte Rinder, außerdem wilde Tiere wie Giraffen, Elefanten und Hyänen. Mehrfarbig gemalt, in rotem Ocker, Weiß, gelbem Ocker sowie Schwarz.
Diese Felszeichnungen gelten als die wohl besterhaltenen Afrikas. Sie wurden erst 2002 von französischen Forschern entdeckt. Heute stellt das Felsmassiv die wichtigste touristische Attraktion Somalilands dar. Es gibt noch weitere Zeugnise aus der Steinzeit: In der Region Dhambalin finden sich die frühesten bekannten Darstellungen eines Jägers auf einem Pferd.
Die Höhlenmalereien von Laas Geel zeigen Szenen aus dem Leben von Nomaden, reich verzierte Rinder und wilde Tiere wie Giraffen, Elefanten und Hyänen
Quelle: Getty Images News/Getty Images
Beira – die scheue, kleine Antilope
Sie zählt zu den seltensten Wildtieren Afrikas: die Beira, eine Zwergantilope mit auffällig großen Ohren. Sie kommt ausschließlich in den unwirtlichen Bergregionen am Horn von Afrika vor, hauptsächlich in Somaliland, von der Grenze zu Dschibuti bis hinein ins nördliche Somalia.
In den steinigen Halbwüsten lebt das scheue, maximal zehn Kilogramm schwere Tier in Verbänden von unter zehn Artgenossen, wie Steinböcke können die Mini-Antilopen von Fels zu Fels springen. Die Beira benötigt kaum Trinkwasser, denn sie deckt den größten Teil ihres Flüssigkeitsbedarfes aus den Gräsern und Blättern, die sie frisst. Die Weltnaturschutzorganisation IUCN listet die Beira als bedrohte Art.
Beiras – hier ein Exemplar in Gefangenschaft – sind vom Aussterben bedroht
Quelle: The Washington Post via Getty Images
Die Buchmesse fördert Lesen und Schreiben
Somalilands wichtigste Kulturveranstaltung ist die Hargeisa International Book Fair – die Buchmesse findet seit 2008 in der Hauptstadt statt und zieht jährlich etwa 10.000 Besucher aus allen Ecken des Kontinents an, darunter auch viele Frauen, die am Horn von Afrika oft benachteiligt sind. Gegründet wurde die Messe vom Autor und Mathematiker Jama Musse Jama mit dem Ziel, das Lesen und Schreiben in Somaliland und darüber hinaus zu fördern.
Die Buchmesse in Hargeisa zieht jährlich etwa 10.000 Besucher aus ganz Afrika an
Quelle: AFP/Getty Images
Über die Hälfte der Einwohner sind Nomaden
55 Prozent der Somaliländer leben als nicht sesshafte Viehzüchter. Sie ziehen mit ihren Rinder-, Schaf-, Ziegen- und Kamelherden durch die Weidelandschaften; jährlich zwei Regenzeiten sorgen dafür, dass genug Gras sprießt. Viehzucht ist der mit Abstand wichtigste Wirtschaftszweig in Somaliland – die Zahl der Nutztiere übersteigt mit etwa 16 Millionen Exemplaren die der menschlichen Einwohner um etwa das Vierfache.
Italiener weckten die Liebe zu Spaghetti
Sättigungsbeilagen sind in Afrika beliebt, etwa der Maisbrei Ugali oder das aus der Maniokwurzel gekochte Fufu. In Somaliland isst man dagegen mit Vorliebe Spaghetti. Die Pasta haben die Kolonialherren von Italienisch-Somaliland (dem größten Teil des heutigen Somalias) ab Ende des 19. Jahrhunderts ins Land gebracht.
Von den Italienern schwappte die Spaghetti-Begeisterung in die benachbarte britische Kolonie über, das heutige Somaliland, wo die Nudeln vor allem als Beilage zu Ziegen- oder Kamelfleisch serviert werden.
In Somaliland isst man mit Vorliebe Spaghetti
Quelle: Getty Images
Das Zitat
„Wir sind das ‚Was?‘-Land, von dem kaum je einer gehört hat“
Das sagte Mustafa Ismail, ehemaliger Repräsentant Somalilands in Deutschland. Somaliland zählt nicht nur zu den unbekanntesten Regionen der Welt, sondern auch zu den am seltensten besuchten Gegenden. Was auch daran liegt, dass Besuchervisa, die Somalia ausstellt, von Somaliland nicht anerkannt werden.
Die einzige Möglichkeit der Einreise besteht über den Flughafen der Hauptstadt Hargeisa, wo Visa on Arrival in den Pass gestempelt werden. Nur eine einzige Fluglinie, Ethiopian Airlines, bietet derzeit internationale Flüge nach Hargeisa an.